"Als Schuldner nackt an den Pranger gestellt": Schriftsteller Günter Grass verteidigt Griechenland.© Marcus Brandt/DPA
Literaturnobelpreisträger Günter
Grass hat ein neues Gedicht geschrieben. Nach seiner umstrittenen Kritik
an Israel knöpft er sich nun Europas Umgang mit Griechenland vor und
nimmt dabei auch Deutschland ins Visier.
Knapp zwei Monate nach seinem umstrittenen israelkritischen Gedicht geht Literaturnobelpreisträger Günter Grass (84) in neuen Versen mit Europas Griechenlandpolitik
hart ins Gericht. Das Gedicht, das an diesem Samstag in der
"Süddeutschen Zeitung" erscheint, trägt den Titel "Europas Schande".
Grass beklagt darin, dass Griechenland "als Schuldner nackt an den
Pranger gestellt" und "unter Schrottwert taxiert" werde. Es sei ein
"rechtloses Land, dem der Rechthaber Macht den Gürtel enger und enger
schnallt".
Das Gedicht besteht aus zwölf je zweizeiligen
Strophen. Grass spricht darin Europa direkt an. Das Werk beginnt mit den
Zeilen "Dem Chaos nah, weil dem Markt nicht gerecht, bist fern Du dem
Land, das die Wiege Dir lieh". Griechenland werde "abgetan": "Als
Schuldner nackt an den Pranger gestellt, leidet ein Land, dem Dank zu
schulden Dir Redensart war."
Anspielung auf deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg
Der
Autor beklagt, dass Griechenland zur Armut verurteilt sei, ein "kaum
noch geduldetes Land". Europa wirft er vor, dem Land den Giftbecher zu
trinken zu geben: "Sauf endlich, sauf! schreien der Kommissare
Claqueure, doch zornig gibt Sokrates Dir den Becher randvoll zurück",
schreibt Grass unter Anspielung auf den griechischen Philosophen
Sokrates, der nach einem Todesurteil den Schierlingsbecher getrunken
hatte.
Grass spielt offenbar auch auf die deutsche
Besatzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg an: Diejenigen, die das
Land mit Waffengewalt heimgesucht hätten, "trugen zur Uniform Hölderlin
im Tornister". Zum Schluss warnt der Dichter Europa vor einem
Götterfluch und mahnt: "Geistlos verkümmern wirst Du ohne das Land,
dessen Geist Dich, Europa erdachte."
Internationale Empörung im April
In seinem Anfang April - ebenfalls in der "Süddeutschen Zeitung" - veröffentlichten Gedicht "Was gesagt werden muss"
hatte Grass Israel vorgeworfen, als Atommacht den Weltfrieden zu
gefährden. Der Iran sei von einem atomaren Präventivschlag durch Israel
bedroht, der das
iranische Volk auslöschen könne. Das Gedicht hatte international für
Empörung gesorgt und Grass den Vorwurf des Antisemitismus eingetragen. Israel hatte den Autor zur unerwünschten Person erklärt. Grass sah eine Kampagne gegen sich.
Günter
Grass war mit seinem Roman "Die Blechtrommel" (1959) weltbekannt
geworden. 1999 erhielt er den Literaturnobelpreis. Grass galt lange als
moralische Instanz in Deutschland. Sein spätes Eingeständnis (2006 in
seinem autobiografischen Werk "Beim Häuten der Zwiebel"), dass er kurz
vor Kriegsende bei der Waffen-SS war, brachte ihm jedoch den Vorwurf
ein, viel von seiner moralischen Glaubwürdigkeit verspielt zu haben.
http://www.stern.de/kultur/buecher/gedicht-europas-schande-guenter-grass-wettert-gegen-griechenlandpolitik-1832520.html
http://hellenikathemata.blogspot.com/2012/05/gedicht-von-gunter-grass-zur.html
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